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Das Leben des Seppel Stülb

Franz Josef Stülb wurde am 10. Juni 1930 in Merl / Mosel neben einem Weingut geboren. Das Haus seiner Kindheit steht noch, hat sich aber von damals bis heute erheblich verändert.

Großvater Stülb war in Merl Bahnhofsvorsteher der damaligen Moseltalbahn. Das wunderschöne alte Fachwerkhaus gibt es noch.

Seppels Vater Johann konnte im Weinbaugebiet der Mosel beruflich nicht Fuß fassen. So sah er sich in Niedersachsen um und begann in seinem Beruf als Schmied auf dem Flugplatz Waggum, später bei der Miag Braunschweig und zum Schluß in Peine in der Schachtanlage Telgte zu arbeiten. Seppel bekam schon als Einjähriger einen Bruder Hans, der diese Odyssee mitmachte.

Der Großvater mütterlicherseits, der Opa Henchen, holte sich den Erstgeborenen Franz Jupp nach Bullay. Der Opa war Weinbauer und so wuchs dieser Junge bei den Großeltern, zwei Tanten und zwei Onkeln an der Mosel heran. Jeder meinte ihn erziehen zu müssen und von der jüngsten Tante Nelly bekam er auch schon mal eine Watschen. Dabei ist er immer als Anstandswauwau zu ihren Rendezvous mitgegangen. Er hat viel im Weinberg mitgeholfen, und die Weinflasche war auch nie weit.

Der Großvater, der Onkel Pit und Onkel Jupp hatten ihm schon vorgemacht, wie das mit dem Musizieren geht. Sie waren alle drei Hobbymusiker. Er durfte auch schon einen Akkordeonkursus mitmachen. Ein Klavier war auch im Haus, Trompete, Klarinetten und Schlagzeug - alles da, nur richtig angeleitet hatte ihn noch keiner. Da starb der Opa, der noch so viel mit ihm vorhatte! Seppel war gerade 12 Jahre alt, als der jähe Tod seinem Leben eine große Wende gab.

Die relativ sorgenfreie Zeit an der Mosel ging damit zu Ende. Er kam zu seiner Mutter Gertud und inzwischen drei Geschwistern nach Vöhrum. Es war 1942. Der Vater war im Krieg. Aus Franz Jupp wurde nun Seppel und der mußte sich vollkommen umorientieren. Es wird sicherlich nicht einfach gewesen sein. In der Schule hatte er keine Schwierigkeiten - aber der Familie ging es nicht gut. Mohrrüben und Steckrübensuppe standen auf dem Speiseplan oben an.

Seppel begann eine Werkzeugmacherlehre im Peiner Walzwerk und erlebte dort den schweren Bombenangriff mit. An diesen Tag hat er keine sehr guten Erinnerungen; denn als er mit dem letzten Zug nach Hause wollte, hat ihn der Meister schlimm gemaßregelt - da noch so viele Aufräumarbeiten zu erledigen waren. Als er nicht nach Hause kam, hatte ihn die Familie schon totgeglaubt. - "Todmüde" kam er dann spät zu Fuß nach Hause - aber er lebte noch!

Nach dem Krieg arbeitslos, arbeitete er eine Zeit lang als Graveur, was ihm sehr viel Spaß machte. Doch die Firma ging in Konkurs. Ja, und dann fing das mit der Musik an!

Diverse "Mucken" als Schlagzeuger und auch als Klarinettist halfen überleben und die Familie profitierte auch davon. Schließlich war es mit dem aus dem Krieg heimgekehrten Vater auch nicht leichter geworden. Und er löste sich, 19-jährig, von zu Haus.

Die erste Schlafkammer war eiskalt und Schnee wehte unter den Dachziegeln herein. Gegessen wurde mittags in der so genannten "Volksküche", wo billig ein einigermaßen abwechslungsreiches Essen angeboten wurde. Und abends wurde getrommelt! Es waren ein paar schwere Jahre in der Nachkriegszeit aber er hat es geschafft, sie zu überwinden.

Denn es ging wieder aufwärts - man konnte wieder fröhlich sein und genoß das auch ganz einfach. Die Inflation wurde 1948 mit der Währungsreform beendet. Jeder kriegte seine Märker, 40 „DE-MARK Startgeld“, und begann damit sein Nachkriegsleben. Die Geschäfte waren wieder voll mit Waren, die Seppel nur noch aus dunkelster Erinnerung seiner Kindheit kannte.

Noch vor der Währungsreform traf Seppel beim gemeinsamen Musizieren seine jetzige "Frau Gertrud". Kennengelernt haben sich die beiden über die Band Jory, in der Gertrud schon spielte und in die Seppel um 1947 ebenfalls einstieg. Seit dem 26. September 1945 wußte Gertrud, daß ihr erster Mann Hans nicht aus dem Krieg zurückkommen würde.

Gertrud hatte während des Krieges bei den Norddeutschen Schrauben- und Mutternwerken gearbeitet und bei ihrer Entlassung die Zusicherung erhalten, daß sie beim Wiederaufschwung der Firma nach dem Krieg wieder einen Arbeitsplatz erhalten würde. Darauf hat sie dann aber verzichtet und ihren Seppel bei der Firma vorgestellt. Fritze Kippar hat ihn für geeignet gehalten und stellte ihn als Maschinenarbeiter ein. Am 20. November 1951 haben Seppel und Gertrud geheiratet - und er wurde schon bald in die Werkzeugmacherei übernommen. Manche Überstunde im Schichtdienst war angesagt und das tat der Familienkasse gut; denn 1952 und 1953 kamen zwei Kinder hinzu, Hans-Gerhard und Reinhard.

Die "Großfamilie" Opa Teschner, Tante Loof und Jungfamilie Stülb lebte auf engstem Raum - ca. 56 m² zusammen. Es war alles nicht so ganz einfach - aber mit viel Toleranz wurde das gemeistert. Seppel und Gertrud machten zusammen Musik. Es ging zunächst mit den Fahrrädern über Land. Seppel, die große Trommel auf dem Rücken, kleine Trommel und Zubehör auf dem Fahrrad gut verpackt - Gertrud einen dicken Notenkoffer auf dem Gepäckträger. Sie waren jung, Regen, Schnee und Graupeln haben sie nicht umgehauen.

Dann gab es ein Motorrad, eine 200er Zündapp - mit Anhänger, der sogar einen Deckel hatte. Und dann 1955 ein Auto! - ja ein richtiges Auto! Vier Räder, ein Dach, das man sogar öffnen konnte, und das Leukoplast gehörte mit dieser Serie auch der Vergangenheit an. Also: Kein Leukoplastbomber! Das erste Auto aus Kruppstahl. Der ganze Stolz der Familie für DM 4400.- (bar bezahlt!). Ein Lloyd 400 mit 17 PS. Es war Spitze! Einmal wurde sogar bergab nach Dortmund auf der Autobahn fahrend ein LKW überholt!

Dann wurde das Haus vergrößert - jeder hatte sein Plätzchen - es begann eine Zeit, in der es immer weiter vorwärts ging. Das Wirtschaftswunder wirkte sich auch im Hause Stülb aus, gestützt durch den Fleiß von Gertrud und Seppel.

Vom 1. November 1966 bis zum 31. Oktober 1969 machte Seppel dann noch eine Ausbildung zum Maschinenbautechniker. Es war ein Fernkurs mit einmal wöchentlich stattfindendem Unterricht in Braunschweig. Der Kurs setzte sich dann in stundenlangem abendlichen zu Hause Üben fort. Gelegentlich wurde dieses dann durch die frisch erworbenen Geometrie- und Algebra-Kenntnisse der heranwachsenden Söhne vom Gymnasium unterstützt.

Die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) bot diese Ausbildung damals für die stolze Summe von 1380.- DM an und wir konnten sie in Monatsraten von DM 57.50 bezahlen. Bevor er seinen 40. Geburtstag feierte, hatte Seppel das Zeugnis mit der Note "gut" in den Händen. Die Mühe hatte sich gelohnt, denn schon ein halbes Jahr vor dem Abschluß wurde er bereits auf Probe in das Konstruktionsbüro übernommen. Das Anfangsgehalt stand einschließlich aller Zulagen bei DM 950.-. REFA- Lehrgänge schlossen sich dann noch an.

Dann jedoch - wie ein Blitz aus heiterem Himmel - kam der dunkelste Moment in Seppels Leben, der mit einem Mal alles veränderte. Nach einem anstrengenden Musikwochenende in stickigen Festzelten, rauchgeschwängert, alkoholdurchzogen, gestreßt von den Mitmusikern, deren Disziplinlosigkeit, mit Übergewicht und zu wenig Bewegung in diese Situation geraten, ereilte den guten Seppel am 13. Juni 1977 ein Herzinfarkt. Morgens in aller Frühe, als die Ruhephase nach dem Streß eintreten sollte. Nur Seppels und Gertruds schnelle Reaktion, das richtige Deuten der Symptome und die zügige Überstellung in das Krankenhaus haben dafür gesorgt, daß der Infarkt letztlich doch überstanden werden konnte. Aber alle traf es wie ein Schock. Niemals hätte irgendjemand aus der Familie es für möglich gehalten, daß so etwas geschieht. In Braunschweig am „Zum Ackerberg 18“ traf diese Nachricht am Sonntag morgen nach einer Geburtstagsfeier ein, gerade als das Frühstück auch für die Übernachtungsgäste zubereitet werden sollte.

Seit dieser Zeit ist Seppels Leben, aber genauso das von Gertrud, durch diese Krankheit geprägt. Drei Herzoperationen folgten dem Infarkt: 1981, 1982 und 1987. Neueste Methoden der Krankheitsbehandlung halfen dem Stehaufmännchen Seppel wieder auf die Beine. Seine starke Konstitution und die Liebe seiner Frau halfen ihm immer dabei. Das Leben wurde ihm wieder geschenkt, und es hat ihm bis heute noch viele wunderbare Erlebnisse gebracht. Das Erwerbsleben jedoch war 1983 abgeschlossen. Mit dem Bezug der Erwerbsunfähigkeitsrente sagte Seppel dem Werk I der Maschinen- und Schraubenwerke endgültig ade. Mit 53 Jahren.

Nach dem Abschluß der beruflichen Entwicklung gab es aber immer noch den Radfahrer und diesen Schlagzeuger Seppel Stülb. Das Schlagzeug blieb neben Frau und Kindern immer der Mittelpunkt seines Lebens. Es war nicht nur Lebensinhalt, sondern auch Lebenselexier. Auch in den schwierigsten Zeiten konnte man ihn mit einem Gespräch über Schlagzeuge stets wieder aktivieren. Aber das mit der Musik ist ein anderes Kapitel.

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